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8. Januar 2019

Handball WM 2019 – Wundertüte Reloaded

Kategorie: News – Autor: KaiDittrich – 13:50

Wie in jedem Jahr findet auch in diesem Winter wieder ein internationales Handballturnier statt. Ein bisschen besonders ist das Ganze dieses Mal schon, schließlich ist es die Handball WM im eigenen Land und den Älteren unter uns kommen dabei sicher Erinnerungen an das Wintermärchen 2007, als sich Deutschland letztmals die Krone der internationalen Handballwelt aufsetzte.

Ein anderes Handballmärchen ist noch gar nicht so lange her, nämlich der Europameistertitel 2016. Gerade mal vor drei Jahren ließen die „Bad Boys“, ein Team der vermeintlich Namenlosen alle anderen Spitzenmannschaften hinter sich und gewannen angeführt von Trainer Dagur Sigurdsson den EM-Titel.

Seitdem ist jedoch einiges passiert. Zweimal der neunte Platz bei einer Welt- (2017) und einer Europameisterschaft (2018) geben nicht gerade Anlass zur Euphorie im Lager des Deutschen Handballbundes. Dennoch gibt es Gründe, warum der DHB das Turnier im eigenen Land mit Zuversicht angehen kann.

Gemeinsames Ziel Halbfinale

Das ausgegebene Teamziel scheint ambitioniert, aber nicht unrealistisch. Zwingend erforderlich für das DHB-Team wird es sein, nach Pflichtsiegen gegen Brasilien und Südkorea auch Russland und im letzten Gruppenspiel Serbien zu schlagen, um mindestens vier Punkte mit in die Hauptrunde zu nehmen.

Das Aufeinandertreffen mit Frankreich im vierten Gruppenspiel könnte zudem zum Schlüsselerlebnis für die Mannschaft von Trainer Christian Prokop werden.

Ein Sieg gegen das nach wie vor beste Team der Welt würde der Mannschaft vermutlich Schwung für die Hauptrunde geben, in deren Verlauf dann mit Spitzengegnern wie Spanien und Kroatien zu rechnen ist.

Weltklasse vorhanden

Die tragenden Säulen einer erfolgreichen WM beim Vorhaben „Halbfinale“ sind vornehmlich in der Defensive zu suchen. Eines der besten, wenn nicht sogar das beste Torwartduo der Welt steht dem DHB zur Verfügung. Andi Wolff und Silvio Heinevetter ergänzen sich sowohl im Stil, als auch vom Charakter her perfekt und arbeiten trotz aller Rivalität als Einheit.

Ebenso wurde in den Vorbereitungsspielen deutlich, dass die Abwehr das Prunkstück der deutschen Mannschaft werden soll. Insbesondere Finn Lemke und Hendrik Pekeler glänzen nicht nur mit körperlicher Präsenz, sondern auch durch hohes Spielverständnis und erstaunliche Beinarbeit. Nur wenige Mannschaften haben so viele gute Abwehrspieler (u.a. auch Wienczek und Böhm) in ihren Reihen wie das deutsche Team.

Daher liegt der Fokus des Bundestrainers in diesem Jahr auch mehr auf dem Tempospiel in erster und zweiter Welle, wobei letzteres zumindest in der Vorbereitung noch nicht so glatt lief. Dies hat auch damit zu tun, dass die Rückraumspieler mit der besten Entscheidungsfindung (Fäth und Wiede) häufig im Angriff-Abwehrwechsel ausgetauscht werden.

Im Positionsangriff konnte das DHB-Team in den Testspielen gegen Tschechien und Argentinien nur phasenweise überzeugen. Große Hoffnungen ruhen auf Fabian Wiede, welcher bei den Füchsen Berlin eine überragende Saison spielt und als Linkshänder auch sehr häufig in der Spielmacherrolle in Erscheinung treten soll.

Als einzigen gelernten Spielgestalter hat sich Christian Prokop für Martin Strobel entschieden. Der einzige Akteur aus der zweiten Liga im DHB-Kader soll mit seiner Erfahrung für Stabilität im Angriff sorgen. Einen erfahrenen Spielmacher auf Topniveau sucht man im deutschen Team vergeblich. Allerdings war dies auch beim Titelgewinn 2016 der Fall.

Offensivwaffe Nummer 1

Die größte Gefahr im Positionsangriff geht von den drei Kreisläufern des DHB aus. Patrick Wienczek, Hendrik Pekeler und besonders Jannik Kohlbacher, der an der Seite von Andy Schmid bei den Rhein-Neckar Löwen noch einmal einen gewaltigen Fortschritt gemacht hat, gehören zur europäischen Kreisläuferelite.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass das Spiel des DHB zu großen Teilen auf die Kreisläufer zugeschnitten ist, da im Kleingruppenspiel auch die Stärken der meisten verfügbaren Rückraumspieler liegen. In den Testspielen wurde häufiger schon auf eine Angriffsvariante mit zwei Kreisläufern zurückgegriffen, speziell im Überzahlspiel. Da mit Patrick Groetzki auch nur ein gelernter Rechtsaußen im 16er Kader steht, werden wir diese Konstellation sicher des Öfteren im Turnierverlauf sehen.

Apropos Außenspieler: Auch auf dieser Position ist das DHB Team international top besetzt. Allerdings muss ein Außen immer von seinem Rückraum ins Spiel gebracht werden und dies sollte besser funktionieren, als bei der EM 2018, als die Außenspieler nie so wirklich ins Turnier fanden, weil sie dort meist nur in absoluten Drucksituationen, wie drohendem Zeitspiel, Wurfchancen erhielten.

Alles oder nichts für den Bundestrainer

Nationaltrainer Christian Prokop hat augenscheinlich viel an der Mannschaft, aber auch an sich gearbeitet. Seine Personalentscheidungen sind nachvollziehbar und es gibt wenig Überraschendes. Die Nominierung von Franz Semper im rechten Rückraum ist eine Investition in die Zukunft, welche sich vielleicht noch auszahlen könnte, aber natürlich auch Kritik hervorrufen wird, sollte das Teamziel verfehlt werden

Für Prokop geht es bei diesem Turnier um Alles oder Nichts. Die Mannschaft scheint ihm zu Folgen und hat glücklicherweise mit den Altlasten aus der Vergangenheit – dem Bad-Boy-Image -abgeschlossen. Dennoch gehört Deutschland objektiv betrachtet nicht zu den großen Favoriten. Der Handball-WM. Das Erreichen des Halbfinals wäre ein Riesenerfolg.

Allerdings reden wir hier immer noch von einer Heim-WM und da ist bekanntlich Alles möglich!

Autor: Robert Nowacki